Blues Company

Ein Leben für den Blues – das führt Todor Todorovic, genannt „Toscho“, seit mehr als 30 Jahren. Und es ist ein reiches Leben. Denn dieser Mann tut das, was er am meisten liebt. Unbeirrt steuert der Kapitän der Blues Company seinen wetterfesten Kahn durch alle Trendwinde des stürmischen Musikmarkts. Einen prima Job macht Toscho bei der Blues Company aber nicht nur als Boss auf der Kommandobrücke, sondern ebenso als Entertainer am Mikro, als Gitarrist und ausdrucksstarker Sänger. Wer wäre also mehr berufen, das Qualitätssiegel „Blues made in Germany“ hochzuhalten als dieser kantige, aufrechte Typ?

Mit jeder neuen Studioaufnahme, mit jedem Konzert unterstreichen Toscho und seine tüchtigen Mitspieler, dass in ihrem Innern das alte Feuer brennt wie eh und je. Hier wirkt eine fruchtbare Wechselbeziehung: Ihr Publikum liebt, was sie machen. Das spornt die Band an, den Fans zu zeigen, wie sie ihre Musik ganz ungekünstelt lebt und belebt.

Der Blues hat seit den 60er Jahren praktisch jede Generation junger, weißer Musiker infiziert. Ganz so lange ist die Blues Company noch nicht dabei. Am 20. Mai 1976 startete sie ihre Blues-Kreuzfahrt. An diesem Tag kletterten Toscho & Co. zum ersten Mal auf eine Bühne, um den versammelten Gästen im Zwölftakt-Rhythmus einzuheizen. Im Frühjahr 2006 konnte die Band stolz ihr 30-jähriges Bestehen feiern.

Am Anfang waren Blues-Company-Konzerte nicht nur Spaß und harte Arbeit. Sie waren echte Pioniertaten. Denn „Blues made in Germany“, professionell gespielt von personell stabilen Bands, gab es vor den Osnabrückern praktisch nicht. Was es gab, waren Tourneen von US-amerikanischen Blues-Größen, die im alten Europa oft größere Wertschätzung genossen als in ihrer Heimat. Die Blues-Company-Musiker begleiteten viele dieser Champions bei ihren Auftritten in Deutschland. So lernten sie nicht nur die alten Meister kennen, sie zogen auch die Bewunderung vieler junger Blues-Freaks auf sich. So mancher, der sich seither im Übungskeller eine Gitarre umschnallte oder auf dem Drum-Schemel Platz nahm, um dem Zwölftakt-Sound zu frönen, ist durch die Blues Company erst auf den Geschmack gekommen Weit über Deutschlands Grenzen hinaus übrigens – so bekannte ein junger und sehr guter Bluesgitarrist aus Ungarn nach einem Konzert, das er besucht hatte: „Ich bin von dieser Band entscheidend beeinflusst worden.“

Toscho wiederum erhielt vielfältige musikalische Anregungen schon von seinen Eltern, die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen und nach dem Zweiten Weltkrieg in die West-Bundesrepublik geflohen waren. Was der Blues Man, 1951 in Lingen im norddeutschen Emsland geboren, von ihnen und von den Grand Old Men des Blues lernte, von B.B. King oder Muddy Waters, brachte er mit Herzblut in „seine“ Blues Company ein.

Toscho weiß auch: Blues ist ohne Mitgefühl nicht denkbar. Und so organisiert der Bandleader seit vielen Jahren größere Benefizveranstaltungen in seiner Wahlheimat. Für sein soziales Engagement erhielt er 1993 die Bürgermedaille der Stadt Osnabrück.

Weil der Blues eine Live-Musik ist, arbeitete Toscho beharrlich an seinem Profil als Entertainer. Es ist eine Lust zu beobachten, wie der Mann einen eingängigen Refrain mimisch untermalt, wie er auf der Gitarre das Publikum mit einem flinken Solo elektrisiert oder mit einer satten Melodiefigur in Trance versetzt, wie er mit seiner markanten, dunklen Stimme Emotionen weckt. An seiner Seite versierte Mitstreiter. Im aktuellen Line-up sind das - quasi als Kern-Band - der zweite Gitarrist Mike Titre (seit 1980 dabei), Florian Schaube, Schlagzeuger und Bandmitglied seit 2000, sowie der junge, jazzerfahrene Bassist Arnold Ogrodnik, seit 2008 dabei.

Rekordverdächtige 3000 Auftritte quer durch Europa hat die Blues Company in mehr als einem Vierteljahrhundert bestritten. Und selbst in den einschlägigen US-Clubs gilt die Band heute als Geheimtipp mit steigendem Kurswert.

Damit nicht genug: Dass die fleißigste und spielfreudigste Blues-Band in deutschen Landen auch die kommerziell erfolgreichste ist, verdankt sie der Qualität ihrer Studioaufnahmen. Etliche ihrer gut 20 Alben gehören zu den umsatzstärksten deutschen Blues-Scheiben aller Zeiten, so „Damn! Let’s Jam“ (1991), „Vintage“ (1995), die Best-of „Blues, Ballads And Assorted Love Songs“ (1997), „Invitation To The Blues“ (2000) sowie das mit dem renommierten US-Produzenten Scott Billington eingespielte „From Daybreak To Heartbreak“ (2003).

Die Fans honorieren mit ihren CD-Käufen auch, dass die Männer der Blues Company niemals musikalische Puristen gewesen sind. Toscho & Co. lieben die Abwechslung. „Blues verändert sich ständig - und bleibt gerade dadurch lebendig“, lautet ihr Credo. Und so pflegen sie einen Scheuklappen-freien Umgang mit dem Blues-Genre: Rock, Soul oder New-Orleans-Sounds gehören ganz selbstverständlich zu ihrem Ausdrucksrepertoire, und gerne experimentieren sie mit frischen Sounds. 1999 holte Toscho die „Fabulous BC Horns“, den Trompeter Uwe Nolopp und den Tenorsaxophonisten und Arrangeur Robert Kretzschmar, in die Band. Jazziger Bigband-Sound kommt mit den „Triple X Horns“ (= BC Horns plus sechs zusätzliche Bläser) ins Spiel. Um das 30er Jubiläum herum fanden gar gemeinsame Sessions mit der NDR Bigband statt – einem Klangkörper, der bekanntermaßen neuen Dingen gegenüber stets aufgeschlossen ist.

Eine echte Überraschung war auch der 2005er Coup der Combo. Für „The Quiet Side Of Blues Company“ gönnten Todorovic und Titre ihren heiß geliebten Fender-Gitarren eine Verschnaufpause und kredenzten in Quartett-Formation handgemachte Musik ohne Elektronik. In liebevollen „Unplugged“-Arrangements präsentierte man Oldies, von Robert Johnson bis Muddy Waters, gepaart mit einigen Blues-Company-Hits.

Nach diesem unverschämt relaxten Trip zurück zu den „Roots“, den Ursprüngen des Blues, zeigten Toscho & Co. 2007 auf dem Album „Hot And Ready To Serve“ wieder das, wofür man sie schon immer kannte und schätzte: Sie servierten druckvollen, modernen, Gitarren-betonten Blues. Im Song „Hollywood“ erzählte Toscho von einem Ereignis, das er selbst das „Sahnehäubchen auf meiner musikalischen Karriere“ nennt. Der amerikanische Filmproduzent und Drehbuchautor Ian Gurvitz klopfte im Herbst 2006 bei der Blues Company und ihrer Plattenfirma an: Er wollte den Song „Blue And Lonesome“ aus dem Album „Keepin’ The Blues Alive“ als Titelmotiv für seinen Film „L.A. Blues“. Es war wohl das erste Mal, dass Hollywood einen Blues-Song aus Deutschland importiert. Das macht klar: Die Blues Company ist eine international agierende Firma mit einem international erfolgreichen Produkt.

Heute ist diese Band immer noch heiß. Sehr heiß. Und so lässt sie 2010 ein weiteres Album mit über 60 Minuten gehaltvoller Musik folgen: „O`Town Grooves“. Neu sind das Studio (Mühle der Freundschaft in Bad Iburg) und der Bassist (Arnold Ogrodnik). Und neu sind auch alle zwölf Songs, die zum großen Teil aus Toschos Feder stammen, einige Stücke auch vom langjährigen Mitstreiter Mike Titre. Zwei Titel hat Bucky Lindsey geschrieben, der einige Songs für den großen Joe Cocker komponiert hat. Nicht neu zum Glück, sondern altbewährt ist der Stilmix: knackiger Chicago-Blues mit blitzenden Gitarrensoli, treibender Rhythm & Blues, anrührende Balladen, eine Prise Soul, wiegende Jazz-Grooves, Funk, dazu die schneidenden Bläser-Einwürfe der Fabulous BC Horns.

Zweimal (bei „Blues In A Bottle“ und dem an die Stones erinnernden „Keep On Tryin´“) übernimmt Co-Leader Mike Titre – nach seinem Debüt als Sänger auf dem letzten Album – den Platz am Mikrofon. Drummer Florian Schaube hat einen Soloauftritt in „3 Flies On An Empty Plate“. Und als Ehrengäste treten Gordon Beadle am Saxofon ( „Things Won´t Be The Same“) sowie die Blues-Frau Ana Popovic mit einer wilden Gitarre ( „I´m Scared To Move“) ins Rampenlicht.

Nachdenkliche Worte zu aktuellen Strömungen finden sich auf nahezu jedem Blues-Company-Album. Hier ist es „Slaves To The Money“, dessen Verse in beinahe biblischer Klarheit davon erzählen, wie der Mensch von der Wiege bis zur Bahre ans Geld gefesselt ist, und das sich doch auch als Parabel auf die noch lange nicht ausgestandene Finanzkrise deuten lässt.

Bescheiden, als wäre er nicht der Kopf der langlebigsten und erfolgreichsten Blues-Band Deutschlands, bekennt Toscho in einem Song: „I´m just an ol´ Blues singer, tryin´ to entertain.“ Nun, bald wartet eine schöne Ehrung auf diesen unverbogenen Blues Man: Im September 2010 wird Toscho beim Bluesfestival in Lahnstein der „Blues-Louis“ verliehen, mit dem in der Vergangenheit Bill Ramsey, Klaus Doldinger, Fritz Rau oder Bill Wyman für ihre Verdienste um den Blues ausgezeichnet wurden.